St. Petersburg – Moskau
20.8. bis 30.8.2006

Donnerstag, 24.8.2006

Und wieder schönes Wetter. Sonnenhut auf und nach dem Frühstück  beginnt bereits um  8 Uhr unserer Landausflug. Ein Spaziergang führt uns auf die Insel Kishi, die im Nordosten des Onegassees gelegen ist. Auf der Insel ist ein einzigartiges Freilichtmuseum mit faszinierenden Beispielen nordischer Holzarchitektur, wie zum Beispiel der berühmten Verklärungskathedrale.
Die Geschichte der abgelegenen Insel ist spärlich dokumentiert, wie uns die russische Germanistikstudentin Ekatarina, die hier unsere Führerin ist, erklärt. Die allgemein anerkannte Version ihrer frühen Ursprünge besagt, dass hier einst heidnische Rituale abgehalten wurden. Der Name der Insel leitet sich wahrscheinlich von einem alten karelischen Wort für „Spiel“ ab, was vermuten lässt, dass es hier eher heiter denn unheimlich zugegangen ist. Übrigens hatten die Heiden eine viel ehrfürchtigere und respektvollere Beziehung zur „Mutter Natur“ als die bärtigen Männer, die später von der Gegend Besitz ergriffen.
Die „bärtigen Männer“ kamen im 11. Jahrhundert auf die Insel und gründeten die erste russische Gemeinde. Das Gebiet zog immer mehr Siedler an, von denen die einen aus dem Süden vor dem Übermacht der mongolischen Tataren geflohen waren und die anderen aus Nowgorod, weil sie die Leibeigenschaft im Fürstentum über hatten.
Was die Insel und ihre Umgebung so attraktiv machte, waren der Überfluss an Fisch, Wild und fruchtbaren Boden.
Im Jahre 1478 unterwarf der Moskauer Grossfürst Iwan der Grosse das bis dahin unabhängige Nowgorod. Mit dem ihm eigenen Hang zum Zentralismus, der ihn vielleicht zum Urvater der russischen Bürokratie mache, erklärte Iwan Kishi zum „pogost“, einer „steuerpflichtigen, aministrativen Einheit“, die sich normalerweise im Umfeld von Kirche und Friedhof befand. Im folgenden Jahrhundert dehnte sich das Gebiet des „pogost“ 40 Kilometer weit um die Insel herum aus und umfasste 130 kleine Dörfer. Zu dieser Zeit standen auf Kishi selbst zwei Kirchen und dreizehn Dörfer. (Wenn man jedoch bedenkt, wie Ekatarina ausführte, dass zwei Häuser schon ein Dorf bilden können?)
Während der „Zeit der Wirren“ befand sich der „pogost“ abwechselnd in der Abhängigkeit von Polen, Litauen und Schweden , die es alle auf Russland abgesehen hatten. Die Bewohner Kishis verliessen ihre Dörfer. Als sie zurückkehrten, fanden sie sich zu ihrer geringen Begeisterung in der Rolle von Grenzwachen auf einem der äussersten Verteidigungsposten des Reiches wieder.
Soweit zur Geschichte. Jedoch was wir – auch schon vom Schiff aus  – zu sehen bekommen ist einmalig! Kein Wunder, dass die UNESCO diese Kirchen als Weltkulturerbe eingestuft hat.
Die Bedeutung der 6 km langen, höchstens 1 km breiten Insel Kishi dokumentiert ein ausgedehntes Freilichtmuseum, dessen Attraktion ein Ensemble von wunderbaren Klosternkirchen im Blockbauweise bildet. Ein Gotteshaus, wie die 37 m hohe Kirche der Verklärung Christi – die Sommerkirche – mit ihren 22 Holzkuppeln in fünf Ebenen ist sogar in Russland einmalig. „Wunder des Nordens“ wird das 1714 errichtete hölzerne Kunstwerk benannt so wie die Fürbittkirche nebenan – die Winterkirche, da kleiner und beheizbar.
Die Schindeln der Kuppeln bestehen aus Espe, einem wider-standsfähigen, winterharten Holz, das in vielen verschiedenen Farben –je nach Sonneneinfall mal golden mal silbern – schimmert. Je nach dem Standort verschmelzen die beiden Kirchen und man hat ein einzigartiges Kuppel-Ensemble.
Es geht die Sage, dass der Zimmermann, der diese Kirchen gebaut hat, nach der Fertigstellung seine Axt in den See geworfen hat, damit er niemals mehr so etwas schönes bauen könne.

Im Freilichtmuseum besichtigen wir noch zwei Bauern- bzw. Land-häuser, in denen alles – inclusive Stall – unter einem Dach untergebracht ist. In einem Haus wird uns demonstriert was die jungen Russinnen alles unternahmen um gefällig zu wirken. Gehäkelte Glasperlenketten wurden angefertigt, es wurde gesponnen und gewebt.
Wir betrachten die traditionelle russische Sauna, die in einer Holzhütte am See untergebracht ist, hören das „Läuten“, bzw. baiern der Glocken der Michaelskirche, bestaunen eine hölzerne Windmühle, die komplett gedreht werden kann. Bewundern die beiden Schnitterinnen die schöne Garben aufstellen und schlendern, kurz vor dem Schiff, an diversen Souvenirständen vorbei – nicht ohne vorher für Ursula einen Schal in ihren bevorzugten Farben – olivgrün – zu kaufen.
11 Uhr heißt es wieder Leinen los und die Mikael Lomonosov verlässt Kishi und nimmt Kurs auf Goritzy.

Nach dem Mittagessen legen wir uns hin und ich verschlafe den Vortrag, den Julia über die Zarenfamilie Romanov hält ebenso wie die sogenannte Hafenpräsentation für den nächsten Tag.
Es regnet. Was hatten wir für ein Glück, als wir die Insel Kishi besuchten.

Um 15.20 ist Treffen in der Sky Bar zur Besichtigung der Kapitänsbrücke angesagt. Nicht so aufregend aber eine nette Geste, da der Kapitän Rede und Antwort steht.
Danach ist Lesen angesagt, ich kämpfe mit dem Buch „Im Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón und Manfred hat ein Buch von seiner geliebten Sarah Paretzky „Fire Sale“.

19.30 Uhr Abendessen und wie schon Routine: 1 Gläschen Wodka in Ehren in der Panorama Bar und dabei geruhsam die Landschaft an uns vorbeiziehen lassen bis es so gegen 21.30 dunkel wird und die Vorhänge zugezogen werden. Das ist das Startzeichen für uns: Bett!

Wir werden irgendwann auf den Wolga Baltik Kanal stoßen. Dieses Flusssystem verbindet die Wolga mit der Industriezone St. Petersburg. Es besteht aus dem Moskau Kanal, der Wolga, dem Rybinsker Stausee, dem Marliinskij Wassersystem, dem Onegasee, dem Fluss Svir, dem Ladogasee und der Newa.