3. Tag

Gebel el Sisila

Um ½ 12 Uhr erreichen wir die schmalste Stelle des Nils, ca. 65 km nördlich von Assuan, Gebel el Sisila. Die Bergkette liegt auf beiden Ufern des Flusses und engt ihn hier ein.
Der arabische Name „Berg der Kette“ geht auf eine Sage zurück, nach der man den Fluss hier durch eine Kette abgesperrt haben soll.

Wir bewundern mit welcher Behändigkeit die Schiffsmannschaft – p10301112teilweise in der traditionellen Galabea (dem weiten Gewand) gekleidet – unser Boot festmachen. Ein paar Pflöcke werden in die Erde getrieben und dienen als Poller, ein dicker Stein wird mit dem Seil umwunden. Der „Laufsteg“ mit separatem Handlauf wird zu unserer Sicherheit angebracht und wir balancieren an Land.
Diese Besichtigung ist nicht auf dem Programm der großen Fluss-Kreuzfahrtschiffe, da es für diese keine Anlegestelle gibt.
Trotzdem ist sie sehr wichtig, erklärt uns Ahmed, da für alle Tempelanlagen im Neuen Reich (18. und 19. Dynastie) hier die Sandsteinblöcke von guter Qualität gebrochen wurden. Der Vorzug dieser Stelle war die gute Erreichbarkeit des Nils für den Transport. Zudem gibt es für uns einen Felsentempel zu besichtigen.
nil-auswahl-201-94Über eine antike Treppe steigen wir zum Felsentempel hinauf und werden bereits von einem “Empfangskomitee“ willkommen geheißen.
Man muss sich das einmal vorstellen:
Da kommen 4 Touristen, 1 Reiseleiter, um die obengenannten Sehenswürdigkeiten in Augenschein zu nehmen. Dafür kommen von dem ca. 15 km entfernten Ort ein Museumswächter, 1 Mann, der für die Eintrittskarten zuständig ist und ein Polizist zur Sicherheit angefahren? anspaziert?
Sie berichten uns, dass wir seit 14 Tagen die ersten Besucher sind.

Ahmed unternimmt es wieder, uns sein umfangreiches Wissen zu übermitteln!
„ Den Tempel ließ der Pharao Haremhab für die Arbeiter, die in den Steinbrüchen arbeiteten, errichten, denn kamen die Arbeiter von dem Transport der Steinblöcke nach Theben zurück, mussten sie dem Nilgott Hapi opfern.
Aus diesem Grunde ließ Harmohep (andere Schreibweise: Haremhab) den Felsentempel erbauen.“
Es ist ein bescheidener Tempel und die Reliefs sind zum Teil stark beschädigt.
p1030113„Auf dem Türsturz der mittleren Öffnung, die jetzt den Zugang zur Kapelle bildet, sind Chnum, der ägyptische Schöpfergott, Gott des 1. Katarakts und der Name des Haremhab mit dem langen Gewand des Ägypters  eingemeißelt.
Chnum formt auf der Töpferscheibe den Menschen – mit seinem  Doppelgänger Ka – in zweifacher Ausfertigung.
Das Innere des Tempels besteht aus einem breiten, aber wenig tiefen Raum an den sich hinten eine längliche Kammer anschließt. Die Decke ist gewölbt und alle Wände tragen Bildwerke und Inschriften. An der linkennil-auswahl-201-98 schmalen Wand ein schönes Relief: Eine Göttin reicht dem König Haremhab ihre Brust; hinter ihr steht der Gott Chnum, hinter dem König der Gott Amun-Re.
Der Siegeszug des Haremhab nach dem Feldzug gegen Nubien muss natürlich auch dargestellt werden:
Der Pharao auf einem Thronsessel, der von zwölf mit Federn geschmückten Soldaten getragen wird, davor und dahinter je ein Soldat mit langgestieltem Fächer; voran schreitet räuchernd ein Priester und ein Zug gefangener Nubier, sodann drei Reihen Soldaten, darunter ein Trompeter. Links stehen der König und Amun auf Schwarzen (Kuschiten), die am Boden liegen. Unter der Hauptdarstellung eine Nische; links davon gefangene Schwarze rechts ziehen ägyptische Krieger gefesselte Gefangene. Inschriften über beiden Reliefs preisen den König als Sieger über die Bewohner von Kusch: „Heil Dir, König von Ägypten, dein Name ist groß im Nubierland …“
Schließlich sicherte Haremhab mit diesem Sieg die Grenze im Süden Ägyptens.
In einer Nische befindet sich das von vorn gesehene Hochrelief eines Beamten Ramses II. namens Chaj, darüber eine Denkinschrift mit einer Darstellung des Königs Siptah, der dem Amun Blumen bringt und hinter dem sein Beamter Baj mit dem Wedel steht. Unten in der Nische sieht man p1030114König Haremhab mit dem Bogen auf einen Feind schießend.“
Es gibt Dokumente, dass zur Zeit Ramses des II. hier 3000 Arbeiter beschäftigt waren.
Ahmed ist gar nicht zu bremsen. Er erzählt, erzählt und erzählt über die verschiedenen Götter, Opfergaben und und und ….
Nochmals über Chnum, den Schöpfergott und Ptah, ebenfalls als Schöpfergott: Es heißt: „ Chnum hat dich geformt, Ptah hat dich gebildet“.
Das kann man gar nicht alles wiedergeben.
p1030115a
Der freundliche Museumswächter wie auch der Polizist wollen gerne fotografiert werden und verlangen keinen(!) Bakschisch! Bekommen ihn aber trotzdem.p1030124

In  Begleitung der Museumswächter spazieren wir im vollen Sonnenschein – gefühlte Temperatur 25 Grad – vorbei an Grabnischen der p1030122Arbeiter bis zu den Stellen des Sandsteinabbaus. Stolz zeigen uns unsere Begleiter eine an diesem Morgen getötete Schlange.
Tief beeindruckt stehen wir vor den Steinwänden und überlegen, wie es zur damaligen Zeit – ohne unsere heutigen technischen Möglichkeiten – gelingen konnte, so monumentale Blöcke herauszuarbeiten.
Aber, Ahmed macht uns auch hier wieder „schlau“:
„Generell wurde beim Abbau in den Steinbrüchen von oben nach untenp10301261 gearbeitet, wobei der blockweise Abbau mit Trennfugen um die gewünschten Blockgrößen und anschließendem Ablösen von der Basisfläche erfolgte.

Von Anbeginn an wurde mit Holzschlägel und Metallwerkzeug gearbeitet. Zunächst wurden Kupfermeißel eingesetzt, seit dem Ende des Alten Reiches verwendete man die allmählich härter werdenden Legierungen aus Bronze. In der Spätzeit fanden dann Eisenmeißel Verwendung. Die Spuren dieser Werkzeugentwicklung ist noch heute an den Steinbruchwänden erkennbar.“

Gut 1 Stunde haben wir hier zugebracht und wir spazieren zum Schiff zurück, da ja bereits das Mittagessen wieder wartet.