2. Tag

Horus-Tempel

Für 14 Uhr war die Fahrt zum Horus-Tempel in Edfu angesagt und um 14 Uhr als wir anlegen, steht auch schon ein kleiner Bus am Ufer, um uns zur größten, besterhaltenen Tempelanlage Ägyptens zu bringen. Die Planung von Ahmed ist hervorragend. Entweder besichtigen wir die Anlagen nach oder vor der Invasion der Fluss-Kreuzfahrtschiffe, denn die Händler vor der Anlage haben ihre Stände zum größten Teil nicht geöffnet, so dass wir mehr oder weniger unbehelligt gehen können.
Auch in der Tempelanlage sind wir fast alleine. Es muss eine Seltenheit sein, wie wir aus Berichten von Freunden entnehmen können.

Nun wieder ein Versuch, die Erklärungen von Ahmed aufzuschreiben:
Die Frage lautet: „Was ist ein Tempel?“
„Ein Tempel ist der Wohnsitz des Gottes. Er unterscheidet sich jedoch von der Kirche wie der Moschee.tag02_0320
Die Hauptelemente eines Tempels in der pharaonischen Zeit waren:
Der Pylon, die große Fassade.
Vor dem Pylon gab es meist zwei große Figuren des Königs, des Begründers des Tempels.
tag02_03801Hier 2 Falken aus Granit, da der Tempel dem falkenköpfigen Horus geweiht ist.
Nach dem Pylon folgt der Vorhof. Bis hierher durfte das Volk. Danach durften nur noch die Vertreter des Gottes, die Priester, wie der König die inneren Räume des Tempels betreten.
Nach dem Vorhof kam der Säulensaal und dann das Allerheiligste.
Je weiter die Räume fortschreiten, je mehr nimmt die Helligkeit ab.
180 Jahre wurde an dieser Tempelanlage gebaut und sie geht auf die ptolemäische Zeit zurück. Ptolemäos der II. begründete den Bau
236 v. Chr. und Ptolemäos der XII. beendete ihn ca. 57 v. Chr.
Die Ptolemäer kamen aus Griechenland und wollten sich als Ägypter darstellen, daher die Tempelbauten und die Abgabe von Opfern.
Zur Tempelanlage gehörte natürlich auch noch das Geburtshaus, das Mamisi, dazu.
Es gab auch noch bei den Tempelanlagen das sogenannte Nilometer.
Hier wurde der Nil-Wasserstand abgelesen und danach wurden die Abgaben und Steuern für das Volk festgelegt.

Diese Tempelanlage hier war fast vollständig mit Sand verschüttet.

Der Pylon hat die stattliche Höhe von 32,50m und eine Breite von 70m und ist nach dem Pylon des Karnak-Tempels der größte. Das darauf abgebildete Relief zeigt den Hausherrn mit seiner Gemahlin Hathor von Dendera und dem gemeinsamen Sohn Harsomtus.
Davor halten zwei Falken aus schwarzem Granit Hof.
Es schließt sich der Kolonnadenhof mit 40 m x 42,6 m an, der von 32 Säulen, gesäumt wird. Dietag02_0350
Weihehalle und die Bibliothek folgen. An der Westwand der Vorhalle beginnt die Darstellung der Gründung und des Baus des Tempels, die sich tag02_0330bis auf die Rückwand zieht.
Im Halbdunkel des 12-Säulensaals, der nur durch kleine Lichtschächte in der Decke erhellt wird, führen Türen zu Magazinen und Salbenküchen. Dahinter befindet sich das abgeschlossene Allerheiligste, das nur von dem Oberpriester betreten werden durfte. In dem dort aufgestellten Granitschrein befand sich einst das Kultbild des Horus, in Gold oder Silber gearbeitet. Auf dem Sockel ruhte die Barke in der der Gott sein Domizil verlassen konnte.“

tag02_0470Auf einer Wand sehen wir das Relief wie der falkenköpfige Horus den übermächtigen Feind zur Strecke brachte:  Auf seinem Schiff verfolgt Horus den als Nilpferd dargestellten Seth. Er durchbohrt das aus Sicherheitsgründen klein und in Ketten wiedergegebene Tier mit seinen Speeren, fesselt es und führt es der jubelnden Göttergemeinde zu.
Wir erinnern uns an die Entstehungsgeschichte.

In den angrenzenden Räumen können wir die Aufzeichnungen der Priester über die täglichen Handlungen betrachten.tag02_0440
Besondere Bedeutung kommt den Inschriften für die Philologie zu,  denn es ist die größte zusammen-hängende Sammlung von hieroglyptischen Texten aus der griechisch-römischen Zeit.
tag02_0445Die Reliefs an Säulen und Wänden sind wunderbar fein herausgearbeitet. Die Säulen selbst sind als Nachahmungen des Schilfs gedacht mit Kapitellen, die mit Pflanzenornamenten, wie Lotus und Papyrus, geschmückt sind.“
Wir sind beeindruckt.
Im Tempelumgang sehen wir beachtenswerte Darstellungen von Prozessionen und Illustrationen zur Horus-Legende. Zudem müssen wir uns vorstellen, dass alles farbig gestaltet war. Kleine Reste der Farben sind noch auszumachen.

Ahemd berichtet uns noch von einer Besonderheit dieses Tempels:
„Alljährlich wurde in einer Volksfestatmosphäre eine Figur der Göttin Hathor von Dendera nördlich von Luxor auf eine zweiwöchige Kreuzfahrt nilaufwärts geschickt, um ihre Hochzeit mit Horus in Edfu nachzuvollziehen. Es wird das Fest der „schönen Begegnung“ genannt.“

Wir wenden uns dem westlichen Bereich der Anlage zu und betreten das Geburtshaus, Mamisi, das Ptolemäos VIII errichten ließ. Die Reliefs zeigen den Verlauf der Geburt.
An einer der vorgebauten Wände können wir das Relief der Göttin Hathor sehen, die ihren Sohn Harsomtus stillt.
Ursprünglich war die ganze Tempel-Anlage  mit Ziegelmauern umgeben, wovon noch Teile zu sehen sind und zur Zeit ist man dabei, die antike Stadt, die sich daran anschloss, auszugraben.

Satte 2 Stunden haben wir uns in „unserem“ 1. Tempel aufgehalten und sind tief beeindruckt.
Der kleine Bus ist sofort wieder zur Stelle und bringt uns zu einem Markt. tag02_0490Hier spendiert uns Ahmed frisch gepressten Zuckerrohsaft. Lecker. Das Leben, das Treiben, das Angebot an Obst und Gemüse ist gewaltig.

Um 16.30 Uhr sind wir wieder auf dem Schiff, das auch sofort ablegt. Wir machen uns etwas frisch und treffen uns zum Teestündchen auf Deck. Um 17.15 Uhr beschert uns der Sonnenuntergang ein tag02_06301phantastisches Farbspiel. Dazu das sanfte Vorbeigleiten an den Ufern des Nils. Das Motorengeräusch des uns ziehenden Boots kann man gut wegdrücken.
Gegen 17.45 Uhr ist das Schauspiel zu Ende. Es wird kühl. Duschen, etwas lesen und die Zeit bis 19 Uhr zum Abendessen ist schnell vorbei.
Bis 22 Uhr halten wir noch ein Plauderstündchen, erfahren viel von Ahmed über das tägliche Leben in Ägypten und sinken müde aber glücklich ins Bett.

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