Die Wasserwege der Zaren (7)

St. Petersburg – Moskau
20.8. bis 30.8.2006

Samstag, 26.8.2006

Es regnet!
Nach dem reichhaltigen Frühstück höre ich mir einen Vortrag von Julia über „Gorbatschow & Perestroika“ an. Sie ist gut geschult, arbeitet mit PC und Leinwand und gestaltet es viel ansprechender als Nelly. Übrigens: Julia ist Deutschlehrerin und arbeitet von Mai bis Oktober auf dem Schiff, dafür gibt ihr ihre Schuldirektorin frei. Sie hat deutsch im Goethe-Institut gelernt.
Sie erläutert, dass Michail Gorbatschow, der im Jahre 1985 an die Macht kam, mit seiner Politik von Perestroika und Glasnost das politische Klima grundlegend veränderte. Seine Ziele waren die Liberalisierung der Wirtschaft, Pressefreiheit und eine Änderung der Ver-fassung. Die Reformen Gorbatschows wurden jedoch als inkonsequent kritisiert.
Sie geht auf Glasnost =  Klarheit und die Perestroika = Umgestaltung ein. Aber auch hier der Tenor: Gorbatschow ist im Westen der liebe „Gorbi“ und in Russland eine gehasste Person.
Ein fehlgeschlagener Staaatsstreich im August 1991 beschleunigte den Niedergang des kommunistischen Regimes und läutete sein Ende ein.
Julia brachte, um die verschiedenen Aeren der Präsidenten und ihre Wirkungsweise darzulegen, folgende Geschichte:
Es wird eine Bahnstrecke in die Zukunft gebaut und die Schienen sind zu Ende:
Lenin sitzt im Zug und als sie zum Ende der Strecke kommen, da ruft Lenin die Bewohner Russlands zusammen und spricht zu ihnen: „Liebe Genossinnen und Genossen,  wir bauen für unsere Kinder eine glückliche Zukunft.“ und  alle packen an und die Fahrt kann fortgesetzt werden.
Stalin sitzt im Zug. Ihm ergeht es ebenso. Die Schienen sind zu Ende. Er befiehlt: „Jeder Zweite wird erschossen und die anderen werden zur Zwangsarbeit gezwungen.“ Die Fahrt geht weiter.
Cruschtschow sitzt im Zug. Die Schienen sind zu Ende. Er befiehlt: “Baut die Schienen hinten ab und vorne setzt sie wieder dran“. Die Fahrt geht weiter.
Breschnew sitzt im Zug. Die Schienen sind zu Ende. Er befiehlt: „Zieht die Vorhänge zu,
die eine Hälfte der Bevölkerung schaukelt den Zug, die andere macht die entsprechenden Geräusche.
Gorbatschow sitzt im Zug. Die Schienen sind zu Ende.  Er hält eine Rede: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Hier ist die Reise zu Ende.“
Das soll uns symbolisieren, dass Gorbatschow Russland ins Aus geführt hat, ist Julias Aussage.

Den Vortrag von Nelly über die Russische Küche spare ich mir und bin dann auch sehr froh, als ich erfahre, dass die Teilnehmer emsig Servietten gefaltet haben und keine Rezepte erhielten.

Wir befahren schon seit geraumer Zeit den Rybinsker Stausee. 1941 begann man mit der Überflutung der Gebiete zwischen der oberen Wolga und den Flüssen Mologa und Scheksna.
Mit der Fertigstellung des Damms und des Wasserkraftwerks bei Rybinsk war der südlichste Teil des Wolga Baltik Kanals fertiggestellt und erreicht eine Fläche von 4.500 qkm. Der Stausee ist fast zehnmal so groß wie der Bodensee, jedoch nur mit einer Durchschnittstiefe von fünf Metern. Rund 700 Ortschaften, Dutzende von Kirchen und drei Klöster sind in diesem „russischen Atlantis“ in den Fluten versunken, etwa 150 000 Menschen wurden zwangsweise umgesiedelt. Eine Kirche ragt aus dem Wasser und es geht die Sage, dass ihre Glocken wie von Geisterhand zu läuten begannen, als der Pegel immer höher stieg.
Beim Verlassen es Stausees nimmt das Schiff Kurs auf den linken Flussarm und fährt in die Schleuse von Rybinsk, die von einer Statue der Wolga-Mutter dominiert wird.

Nachdem ich über die diversen Gewässer berichtet habe, soll die Wolga, auch wenn wir nur ein winziges Stück von ihrer Gesamtlänge von 4.000 km befahren, nicht zu kurz kommen, denn immerhin ist die Wolga der längste Fluss Europas. Ihre Quelle befindet sich in den abgelegenen Valdai-Bergen im Westen und Süden des Rybinsker Stausees. Die Wolga verläuft in Mäandern östlich und nördlich des Reservoirs, ändert dann ihre Richtung, fließt weiter nach Südosten Richtung Jaroslvl und mündet schließlich ins Kaspische Meer. Die Hälfte der Schiffsfracht Russlands wird über die Wolga transportiert, und das Wolga Wasser wird zur Bewässerung der Steppenregion des Südens genutzt. Fast auf seiner gesamten Länge ist der Fluss schiffbar, und zwar von März bis Mitte Dezember. Das russische Volk fühlt sich seit jeher eng mit der Wolga verbunden. Der Strom hat mythologischen Status und inspirierte zahlreiche Dichter, Maler und Musiker. Die  Boote wurden vom Ufer aus an langen Seilen von Männern gezogen. Damals war menschliche Arbeitskraft billiger als Pferde oder andere Zugtiere. Um sich die schwere Arbeit zu erleichtern, sangen die Männer, während sie im Rhythmus ihres Gesangs zogen.
Im 20. Jahrhundert wurden zahlreiche Wasserkraftwerke gebaut, um die Stromversorgung des Landes zu verbessern. Dadurch wurde der Fluss in eine Kette von riesigen Reservoirs eingeteilt. Die vollständige Eindämmung des Flusses wird heute als ein großer Fehler erkannt, sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht.
Es wurden nicht nur riesige Waldflächen überflutet und das Ökosystem zerstört, sondern der Stromgewinn war vernichtend klein und stand in keinem Verhältnis zu den Schäden, die angerichtet wurden.
Von den großen Wasserreservoirs entlang der Wolga wird auf der Reise zwischen St. Petersburg und Moskau nur das Rybinsk Reservoir befahren.

Um 11.15 Uhr bei der „Hafenpräsentation“ wird uns der morgige Ausflug nach Uglitsch näher gebracht und dass wir zeitig den halbstündigen Spaziergang zu den Kirchen machen müssen, da Sonntag ist und wir die später beginnenden Messen nicht stören dürfen.

Schon um 12.15 Uhr ist wieder Mittagessen, da wir um 14 Uhr in Jaroslavl anlegen und für 15 Uhr der Landausflug mit Stadtrundfahrt angesagt ist.
Um nach Jaroslavl zu gelangen verlassen wir unseren direkten Wasserweg nach Moskau und fahren ein Stück  auf der  Wolga.

In Jaroslavl erklärt uns der gut deutsch sprechende örtliche Reiseleiter  die Lage und Geschichte der Stadt.
Selbstverständlich ist er stolz – und kann es auch sein – denn Jaroslavl zählt zu den ältesten und berühmtesten Städten Russlands. In der Vergangenheit ein blühendes Handelszentrum, verfügt die Stadt über eine Vielzahl kleiner Kirchen und ein wunderschönes Uferpanorama.

Die Stadt erstreckt sich über 29 km an beiden Flussufern und ist ein wichtiger Wolgahafen mit einer Einwohnerzahl von 600.000. Sie wurde im 11. Jahrhundert von Jaroslav dem Weisen gegründet.
Vom 8. bis 10. Jahrhundert bewohnten finno-urgische Stämme die hohen Ufer der Wolga in der Gegend der Mündung ihres Nebenflusses Kotorosl. Die Siedlung wurde „Ecke des Bären“ genannt, da die finno-urgischen Heiden Bären verehrten und anbeteten. Von Zeit zu Zeit nutzen einige Stammesmitglieder ihre günstige Position an Jaroslav dem Weisen aus, um vorbeifahrenden Handelsschiffen aufzulauern. Fürst Jaroslav der Weise aus Rostow, wurde von erbosten Händlern um Hilfe gebeten, segelte eines Tages zusammen mit einigen Getreuen hierher, um mit den Ortsbewohnern zu reden und sie von ihren Irrwegen abzubringen. Die jedoch ließen einen wilden Bären auf ihn los. In einem sicherlich beeindruckenden Ringkampf besiegte und tötete Jaroslav den Bären, was gleichzeitig die Unterwerfung der erstaunten Zuschauer bedeutete. Er befahl nun, eine Kirche zu bauen und gründete die Stadt Jaroslavl.
Soweit die Legende zur Gründung von Jaroslavl im Jahre 1010.
Zur Erinnerung daran befindet sich auf dem Stadtwappen ein Bär.

Was lässt sich noch über die Stadt sagen? Jaroslavl ist nach wie vor ein wichtiges kommerzielles Zentrum und ein Verkehrsknotenpunkt. Über Bahn, Flugzeug, Schiff und Strassen (einschließlich der 289 km langen, bei Banditen beliebten Trasse in die Hauptstadt) ist die Stadt mit Moskau und allen wichtigen Zentren des Landes verbunden. Die meisten der Einwohner arbeiten in den verschiedenen örtlichen Industrien, zu denen Ölraffinerie sowie Fabriken zur Herstellung von Gummireifen, Dieselmotoren, Textilien und Emaille gehören. Außerdem ist die Stadt ein Zentrum der Viehzucht: hier werden die berühmten Romanowskaja-Schafe sowie eine auf internationalen Wettbewerben ausgezeichnete  Rinderrasse gezüchtet.

Der Reiseführer lässt uns erst mal an der Dreikönigskirche (auch Epiphane-Kirche) aussteigen. Bemerkenswert ist hier der Farbkontrast: rot geziegelte Fassade mit farben-prächtigen glasierten Ziegeln  dekoriert, auf denen Ranken, Blumen und geometrische Muster zu sehen sind. 5 grüne Kuppeln erheben sich darüber und zur Abrundung eine bunte  Wiesen-blumenmischung vor dem Eingang stimmt uns schon mal auf das Innere ein. Eine wunderbar Ikonenwand mit den verschiedenen Ebenen, der Lokalen-, der Festtags-, der Anbetung-, der Propheten- und der Urväter-Reihe beeindruckt uns tief.
Mir fällt eine Madonnen-Ikone mit Jesuskind in einem Kelch auf. Davor ist eine Schnur mit diversen Ringen aufgehangen. Der Reiseleiter erklärt, das ist der „sich nicht leerende Kelch“ und die Ikone wird um Hilfe von Frauen angerufen, deren Männer trinken.

Während der Weiterfahrt zum Marktplatz mit der wohl schönsten Kirche der Stadt erläutert uns der Reiseleiter, wie viele Universitäten, wie viele Theater (das erste Russlands überhaupt, von Fjodor Volkov gegründet und 1750 erbaut) und überhaupt alles vom Besten und Feinsten.
Auf dem Rathausplatz steigen wir aus und gehen zur Kirche des Propheten Eliah . Wirklich, uns bleibt fast die Luft weg. Phantastisch. Die Kirche ist komplett ausgemalt, bis hoch in die Kuppel hinein. Kein Fitzelchen freie Fläche.  Auch hier wieder am Altar die Ikonenwand, die Ikonostase, mit einer wunderschönen Türe, die während der Messe aufgemacht wird. Die Ikonen sind Bildnisse Christi, der Jungfau Maria, der Apostel und anderer Heiliger, sowie biblischer Szenen oder Heiligenlegenden auf Holztafeln.  Man kann gar nicht alles aufnehmen. Manfred geht Ansichtskarten kaufen, und das will was heißen!
Auch hier bekommen wir eine Gesangs-Kostprobe und so mit Eindrücken voll werden wir ins pralle Leben, einen einheimischen Markt geworfen. Da sind wir beide schnell durch und machen noch einen kleinen Rundgang durch die Stadt die zum sogenannten „Goldenen Ring“ gehört, einer Gruppe historisch bedeutsamer Städte nordöstlich von Moskau.

Der Bus bringt uns zur Wolgapromenade, die mit ihrer Lindenallee zu den schönsten an der Wolga gehört und auch als Ausflugsziel der Einheimischen genutzt wird. Wir flanieren bei trockenem Wetter mit 20 Grad an der Flusspromenade und durch den Park und dann zum Bus auf dass er uns  noch zu einer Ikonen-Malschule bringt. Hier wird uns die Technik  erklärt. Die Holztafeln werden mit Minerlafarben bemalt und mit einem Schutzfilm aus Leinöl überzogen. Ihre Ursprünge reichen weit zurück in das byzantische Reich. Ikonen zu malen galt und gilt als liturgische Handlungen und blieb ursprüglich Mönchen und Popen vorbehalten, die als Werkzeuge Gottes galten.

Und weiter geht es zu einer Werkstätte der Lackmalerei. Es werden uns die Unterschiede der verschiedenen Werkstätten: Palech, Mstjora und Cholui erklärt.
Eine kleine Lackdose (ca. 6 x 8 cm) mit einer Winterlandschaft bemalt hätte es mir angetan, kostete jedoch 562 US-Dollar. Noch Fragen?

Zurück auf dem Schiff  hieß es um 19 Uhr wieder „Leinen los“ . Von Deck aus noch mal ein Blick auf die Stadt und um 19.30 Uhr ging es zum Abendessen. Anschließend – wie üblich – in die Panoramabar zum Absacker. Heute leistete uns das Ehepaar vom Nachbartisch Gesellschaft und um 22.20 meinten wir, anstandshalber sollte man sich doch bei der um 20 Uhr begonnenen Crew-Show sehen lassen. Haben es dann nicht bereut, war recht witzig, aber als dann die Polonaise und das Tanzen los ging, wollte Manfred – immerhin nach einem klitze-kleinen Tänzchen – ganz schnell zur Kabine.
Mitternacht! Gute Nacht!

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Die Wasserwege der Zaren (8)

St. Petersburg – Moskau
20.8. bis 30.8.2006

Sonntag, 27.8.2006

Was ist das? Nebel! Wir stehen! Wo? Irgendwo!
Die Durchsage klärt uns auf, dass wir mit 3 Stunden Verspätung auf dem Uglitscher Stausee stehen, da es Nebel gibt und bei Nebel auf den Flüssen nicht gefahren werden darf.
Bitter, denn die Quintessenz ist, dass wir Uglitsch – auch eine Stadt des „Goldene Rings“ im wahrsten Sinne links liegen lassen müssen, da die Schiffe bei den Schleusen angemeldet sind und wir sonst nicht rechtzeitig in Moskau ankommen.
Sehr traurig, denn von unseren schweizer Freunden wissen wir, dass die diversen Kirchen sehr schön sind und dass es hier – wie auch von den diversen Reiseleiterinnen darauf hingewiesen wurde,  die schönsten und preiswertesten Souvenirs geben soll.
Schade!
So gehen wir im Bordshop einkaufen: Für die Enkelkinder „Russische Märchenbücher“ von Palech gestaltet und für uns eine Matrjoschka, (7-fach).
Der nachmittags angesagte Vortrag von Nelly „ Putin & Demokratie“ wird um 9.45 Uhr gehalten. Ich tue es mir nochmal an. Wie gehabt: Putin ist der Größte. Jung, schlank, sportlich, nüchtern, (Seitenhieb auf Jelzin).
Um uns die Lage und Probleme aufzuzeigen, mit denen auch Putin zu kämpfen hat, bringt sie folgende Parabel:
„Es sind drei Löwen, die beschließen sich zu trennen und 1 Jahr ins Ausland zu gehen, einer aber bleibt in Russland.
Nach einem Jahr sehen sie sich wieder. Der eine war in Frankreich und ist dünn und ausgezehrt, auf die Frage, wie das, antwortet er nur „die Mademoiselles“.
Der andere war in England und kommt ebenfalls ganz dünn wieder. Auf die Frage, wieso, antwortet er „esst ihr mal jeden Tag Porridige.“
Der Dritte, der in Russland geblieben war ist dick und rund und fett. Auf die Frage, wie das, antwortet er: „Ich habe jeden Tag 3 Generäle verspeist und die Administration hat es nicht bemerkt“

Wir sehen vom Schiff aus 4 oder 5 Kirchen von Uglitsch, das war es auch,  bevor der Stausee einen Knick macht und wir um 11.30 Uh bei der Uglitscher Schleuse sind.
Den Nachmittag vertrödeln wir, teils Sonne, teils Regen, dann wieder trocken.

Um 19 Uhr ist Captains-Dinner angesagt. Kapitän Ivan Puchkov lädt ein. Alles hat sich in Gala geschmissen, selbst Manfred hat seinen Blazer angezogen. Mit einem Glas Sekt werden wir begrüßt und die Reiseleiterinnen, diversen Managerund das Service-Personal stehen Spalier.
Zur Feier des Tages wollen wir bei Sekt bleiben. Durch Verständigungsschwierigkeiten, wir hatten angenommen, diesen Sekt gibt es nicht, wahr auch so, wir bekamen roten Sekt, bestellten wir eine Flasche Weißwein und hatten dann plötzlich 2 Flaschen auf dem Tisch.
Kein Problem, beim Sekt halfen uns unsere Tischnachbarn  und den Weißwein tranken wir am nächsten Tag weiter.
Nach dem Essen, etwas Routine muss sein, Panoramabar, Wodka, Tomantensaft. Das Ehepaar  vom Nachbartisch leistete uns Gesellschaft. Die Passagier Show  in der Sky-Bar haben wir uns geschenkt und uns dafür angeregt unterhalten.

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Die Wasserwege der Zaren (9)

St. Petersburg – Moskau
20.8. bis 30.8.2006

Montag, 28.8.2006

Erster Blick aus einem unserer beiden Kabinenfenster: trocken.
Frühstück und dann am Bug gestanden und die Landschaft vorbeiziehen lassen. Teils sonnig, aber frischer Wind.

Von 10.30 Uhr bis 11.15 Uhr  zeigt der Kameramann Aivar eine Vorschau auf das während der Reise gedrehte Video in der Sky Bar. Es ist recht gut, er hat schöne Stimmungen eingefangen, natürlich die Sehenswürdigkeiten und zwischendurch immer wieder die Teilnehmer. Teils in der Gruppe, teils in Einzelaufnahmen. Aber wir haben entschieden, es nicht zu kaufen, das Band für 25.- Euro und die DVD für 35.-, denn wir sehen uns ja unsere früher selbst gefilmten Berichte nie an. Ich denke nur an Namibia von 1992.

Um 12 Uhr findet das Mittagessen statt. Das schöne Salatbüffet gibt es schon seit Tagen nicht mehr. Das Essen ist sehr gut, sehr, sehr schön angerichtet, viele nette Dekoideen, und auch sehr überschaulich. Davon könnte man eigentlich nicht zunehmen.

Wir stehen wieder am Bug und lassen die Peripherie von Moskau an uns vorbeigleiten.
Wir befinden uns auf dem Moskau Kanal. Wie ich nachgelesen habe, träumte schon Peter der Große davon, ungehindert von St. Petersburg nach Moskau zu segeln. Doch erst im Jahre 1825 wurde sein Traum Wirklichkeit, durch den Bau eines Kanals, der den Fluss Moskwa mit der Wolga verband. Der Kanal hatte jedoch nur eine kurze Lebensdauer, da seine Instandhaltung vernachlässigt wurde und man sich mehr für die Erweiterung des Eisenbahnnetzes interessierte. Anfang der 30erJahres des 20. Jahrhunderts wurde Wasserknappheit in der Hauptstadt Moskau zu einem großen Problem und man brauchte einen Anschluss an eine ergiebigere Wasserquelle. Stalin fand des Rätsels Lösung und ließ einen Kanal zur Wolga bauen. Für das gesamte Projekt wurden insgesamt 240 Bauten errichtet, darunter 7 Dämme aus Beton, 8 Dämme aus Erde, 11 Schleusen, 8 Wasserkraftwerke, 5 Pumpstationen, 15 Brücken und das Nördliche Passagier Terminal mit seinem angrenzenden Frachthafen. Innerhalb von 5 Jahren war dieser Kanal fertig und der Umfang dieses Projektes übertraf bei weitem den Bau des Panama- und des Suezkanals. Am 15. Juli 1937 wurde der Kanal eröffnet und Moskau wurde zu einer bedeutenden Hafenstadt, die mit allen fünf russischen Meeren verbunden war. Außerdem gewann die Hauptstadt so eine neue Quelle zur Elektrizitätserzeugung.
Die Kapitäne der Schiffe schätzen die konstante Tiefe des Kanals, seinen geraden Verlauf und die Windgeschützheit. Die Passagiere genießen die Ruhe, den schönen Ausblick und die reizvolle Landschaft. Können wir bestätigen.

Um 13.30 legt die Mikael Lomonosov in Moskau an. Die 1,2,3, ganz vielen Busse warten schon auf die Teilnehmer der 2 Schiffe, die immerhin ca. 400 Personen an Land bringen.
Sind es bei uns überwiegend Engländer, eine Gruppe Dänen und ca. 50 deutschsprachige, so haben wir mitbekommen, dass auf dem Schwesterschiff auch Spanier sind.
Eine Snack Box bekommen wir mit, da wir nicht zur üblichen Abendessenszeit zurückkommen.
Man würde eigentlich voraussetzen, dass die Geschichte über das „Mekka“ Russlands genau dokumentiert ist, aber so ist es leider nicht. Die allgemein akzeptierte Version ihrer Gründung ist folgende:
“Moskau wurde von Yuri Dolgoruki, Großfürst von Suzdal und Kiew, gegründet. Der erste schriftliche Hinweis auf die Stadt stammt aus dem Jahre 1147. Im 13. Jahrhundert wurde das unabhängige Fürstentum Moskau ins Leben gerufen, und im 14. Jahrhundert war die Stadt ein Großfürstentum. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde Moskau als Hauptstadt des ersten russischen Staates anerkannt. Die flächenmäßige Ausdehnung der Stadt sollte in den folgenden Jahrhunderten enorm wachsen.
Obwohl Peter der Große sich aus Angst vor Intrigen und Aufständen von Moskau abwandte und seine eigene Hauptstadt in St. Petersburg erbaute, blieb Moskau von immenser politischer und kultureller Bedeutung. Die russischen Zaren wurden weiterhin in Moskau gekrönt. 1918, fast 200 Jahre später und nur wenige Monate nach der Oktoberrevolution, wurde Moskau wieder Hauptstadt. Lenin und die neue kommunistische Regierung zogen von St. Petersburg nach Moskau. fortan hieß die Stadt „Hauptstadt des weltweit ersten Arbeiter- und Bauernstaates“. nach dem Zerfall der Sowjetunion bestätige eine Volksabstimmung Moskau erneut als Hauptstadt, diesmal jedoch als Hauptstadt eines neuen und demokratischen Russlands, der Russischen Föderation.“
Dies habe ich dem Reiseführer wortwörtlich entnommen.

Unsere örtliche Reiseleiterin heißt wieder Natalie und spricht ausgezeichnet deutsch.
Sie bringt die Erläuterungen eher in einem Plauderton rüber, ungewöhnlich aber sehr gut.
Sie heißt uns Willkommen in der Hauptstadt des größten Landes der Welt, ehemaliger Sitz eines Imperiums und Entscheidungsträger der Weltgeschichte. Eine Stadt, welche abwechselnd als asiatisch und europäisch angesehen wird – manchmal auch beides oder keines der beiden. Sie besteht seit fast 850 Jahren und befindet sich momentan in einer sich sehr schnell ändernden politischen und wirtschaftlichen Situation. Moskau präsentiert sich als eine Mischung aus alt und neu, bekannt und unbekannt, glänzend aber auch schäbig.
Auf unserer Fahrt in die Stadt lernen wir gleich den Moskauer Verkehr kennen und Nathalie erklärt uns, woran man einen guten Moskauer Autofahrer erkennen kann:
„Wenn auf einer vierspurigen Straße in fünf Reihen gefahren wird, findet eine guter Fahrer noch eine 6. Spur.“

Ein erster Stopp ist am Neujungfrauen Kloster. Seit 1934 ist hier die Filiale des Staatlichen Historischen Museums untergebracht. Es ist eines der schönsten baukünstlerischen Klosterensembles Moskaus, das 1524 auf Geheiß des Fürsten Wassili III. zum Gedenken an den Sieg des russischen Heeres im Kampf gegen den polnisch-litauischen Staat um die Grenzgebiete und die Heimkehr der Stadt Smolensk in das russische Reich errichtet worden ist. Das nahe am Südweg nach Moskau gelegene Kloster erfüllte wiederholt die Funktion eines Vorpostens. Es erfreute sich der Gunst und des Schutzes der Zaren und Bojaren, da die Nonnen dort Vertreterinnen der Zarenfamilie und der Familien des hohen Feudaladels waren. Peter der I. soll hier auch seine erste Frau mit ihrem gemeinsamen Sohn „deponiert“ haben.
Die alte Klosterkirche war der byzantinischen Gottesmutter von Smolensk geweiht, die als Heiligtum des Smolensker Fürstentums galt.
Das ehemalige Kloster ist wunderschön an einem Teich gelegen und natürlich ist große Fotosession angesagt.
Weiter geht die Fahrt vorbei an den riesigen Sportanlagen, die zur Olympiade 1980 (?) gebaut wurden, zum Sperlingsberg, um uns von hier oben einen Blick auf das Panorama Moskaus und den Fluss Moskwa  zu gönnen und auf die Wolkenkratzer, die  sog. „Sieben Schwestern“, die zwischen 1948 und 1957 auf Stalins Anordnung errichtet wurden . (Stalin hatte tatsächlich sieben Schwestern.) Ein achter Wolkenkratzer war in Planung, wurde jedoch nie gebaut. Das letzte zentrale Bauwerk, der Palast der Sowjets, sollte alle existierenden Wolkenkratzer in den Schatten stellen und von einer riesigen Lenin-Statue gekrönt werden. Die Erlöserkirche wurde gesprengt, um Platz für das Gebäude zu schaffen, doch die Bauarbeiten kamen nie über die Grundmauern hinaus.  Nun ist die Erlöserkirche neu erbaut worden und strahlt weithin sichtbar mit ihren goldenen Kuppeln.
In unserem Rücken befindet sich das bis vor kurzem höchste Gebäude Moskaus, die von Stalin in Auftrag gegebene und im „Zuckerbäckerstil“ gestaltete  Moskauer Lomonosov-Universität.  –  Michail Lomonosov ist auch der Namensgeber unseres Schiffes. Er war Gelehrter, Dichter, Wissenschaftler.
Auf dem Weg zur Metro sehen wir vom Bus aus das „Weiße Haus“, in dem jetzt die Duma untergebracht ist.

Und nun das Abenteuer Metro. Sie soll zweifellos die schönste Untergrundbahn der Welt sein, gleichzeitig das schnellste und billigste Verkehrsmittel der Stadt. Und aus unserer Erfahrung sicher auch das Lauteste.
Die faszinierende Moskauer Metro ist ein Monument des Sozialismus, das kontroverse Untergrundbahnprojekt wurde im Jahre 1932 auf Stalins Geheiß in Angriff genommen. Arbeiter und Baumaterialien wurden aus ganz Russland hierher gebracht. Es entstand ein kollektives Kunstwerk, bei dem die besten Künstler des Landes die Hauptthemen der kommunistischen Ideologie und der nationalen Geschichte zum Ausdruck brachten. Hier werden Helden des Alltags in der Kunst unsterblich: Arbeiter, Soldaten, Mutter und Kind, sowjetische Kriegshelden und andere abstrakte Symbole politischer Macht sind auf den Mauern verewigt. In der aufwändig gestalteten Metro, die in verschiedenen Steinarten erbaut und mit Fresken, Mosaiken und Stuck verziert wurde, achtete man auf äußerste Sauberkeit.
Wir steigen in die Linie 3 bei einer erste 1 ½ Jahre alten Station ein, am Park Pobedy,  fahren 1 Station und bestaunen diese Lampen und Gemälde, weiter geht es zwei Stationen: wieder fallen die phantastischen Lampen auf, die Bronzefiguren, wie oben beschrieben, und nochmals fahren wir eine Station und betrachten die Gemälde, in Stuck gerahmt, die das Leben in der Ukraine zeigen.

Von hier gehen wir zum Roten Platz, kommen am Hotel Metropol vorbei, in dem Manfred vor 32 Jahren einen Lehrgang abgehalten hat. Wir erreichen den „Roten Platz“ durch das 1995 „wiederauferstandene“ Auferstehungstor, welches das Historische Museum mit seinen weißschimmernden Dächern und das ehemalige Lenin-Museum verbindet. Von hier eröffnet sich ein großartiger Blick auf den Platz, und wieder ein Superlativ: wohl einem der schönsten Plätze Europas. An der Westseite erheben sich die mächtigen Kreml-Türme. Vor dem imposanten Kreml nimmt sich das Allerheiligste der ehemaligen Sowjetunion, das Lenin-Mausoleum, geradezu bescheiden aus. Links dahinter sehen wir eine Büste Stalins, dessen Leichnam man aus dem Mausoleum verbannt und nun hier begraben hat.

Auf der Ostseite, für mich besser: links, erstreckt sich über 250 m lang die Front des Kaufhauses GUM und im Süden: also geradeaus sagt man erst mal wieder „oh“ steht die schöne Basilius-Kathedrale, die einer Märchenkirche gleicht.
Wie heißt es im Fremdenführer: „ Das ästhetische Zusammenspiel der Bauwerke, die aus fünf Jahrhunderten datieren, ist gewagt und spannungsreich, gelingt aber auf atemberaubende Weise. Der Platz ist für die Russen mehr als ein Spiel der Formen und Farben er ist ein fester Bestandteil des Nationalbewusstseins, der mit der russischen Geschichte verknüpft ist wie nur noch der Schlossplatz vor dem Winterpalais in St. Petersburg“. Eine wechselhafte Geschichte erlebte dieser Platz. Als Marktplatz in den alten Tagen Moskaus, Prunkzüge der Zaren oder Prozessionen der Patriarchen mit ihrem Gefolge, selbstherrlichen Bojaren und Aufständischen schlug man auf dem Roten Platz den Kopf ab. Nach der Revolution 1918 wurde der 500 m lange und 150 m breite Platz für Paraden mit Panzern und Kanonen. Alljährlich am Tag der Arbeit, 1. Mai und am Jahrestag der Oktoberrevolution defilierten Zehntausende von Werktätigen und Soldaten am Lenin-Mausoleum vorbei, auf dem sich die Partei-spitze aufgestellt hatte. 1991 verzichtete man  erstmals auf Militärparaden.  Übrigens, der Name „Roter Platz“ hat mit Kommunismus gar nichts zu tun, er geht auf eine Zeit zurück, als das Wort krasnaja sowohl „schön“ als auch „rot“ bedeuten konnte.

Nach den Erläuterungen von Nathalie werden wir entlassen und können auf eigene Faust das GUM und die Basilius-Kathedrale.
Für Manfred war es spannend, das GUM  (übersetzt: staatliches Universal-Magazin) nach 32 Jahren wieder zu sehen. Damals war in den über 100 Läden kaum Ware und es war für unansehnliche Waren und leere Regale berüchtigt.  Inzwischen ist es privatisiert und westliche Luxusgüter beherrschen das Bild. Es ist unbeschreiblich! Innen besteht es im Grunde genommen aus 3 Einzelbauten über die gesamte Länge von 250 m die mit Brücken verbunden sind. Phantastisch geschmückt und die Geschäfte, zu ebener Erde nur italienische Geschäfte, das Feinste vom Feinen und vermutlich auch das Teuerste vom Teuren. Wir schlendern über die verschiedenen Ebenen und verschiedenen Blöcke und am Ende finden wir eine Toilette.

Die Basilius-Kathedrale, das sicher mit Recht das märchenhafteste Gebäude Russlands genannt wird, muss ich auch ein paar Worte sagen:
Sie geht auf Iwan den Schrecklichen zurück, der zum Gedenken an den Sieg über die Goldene Horde den Bau einer Kirche auf dem Schönen Platz befahl. Eingeweiht wurde sie 1559 und hieß erst Mariä-Schutz- und Fürbitt-Kathedale am Graben. Iwan der Schreckliche ließ den Baumeistern Barma und Postnik Jakovlev freie Hand unter der Auflage, die Kirche solle schön sein und Freude ausstrahlen.
Obwohl von außen verwirrend, ist der Grundriss der Basilius-Kathedrale recht einfach: Vier Kapellen bilden ein Kreuz, dessen Schnittstelle von einer fünften großen Kapelle eingenommen wird. So wurde uns auch der Bau der Holzkirche in Kishi erklärt. Vier weitere Kapellen besetzen die Zwischenräume dieses sternförmigen Gebildes. Die neuen Kirchen tragen jeweils einen eigenen Turm, so dass sich dem Betrachter von außen das verwirrende Bild von neun äußerst farbenprächtigen Kuppeln bietet, von denen keine der anderen gleicht. Der größte Turm in der Mitte endet in einer Zeltdachspitze mit einer kleinen Zwiebel obenauf.
Ihren Namen erhielt die Kirche durch Zar Fjodor Ivanovitsch, der 1588 eine zehnte Kapelle anbauen ließ, in der die sterblichen Überreste des Wanderpredigers Vasilij Blashennyj beigesetzt wurde. 1670 wurde an der südöstlichen Seite ein Glockenturm angebaut.

Um 18 Uhr   war wieder Treffen am Bus angesagt und dieser  schob sich durch den dichten Verkehr zum Moskauer Staatszirkus. Wir bekamen unsere Eintrittskarten und hatten noch etwas Zeit, auf dem gegenüberliegenden Plätzchen die diversen bronzenen Clownfiguren zu betrachten und zu fotografieren.
Der Ruf des russischen Zirkus basiert auf einer 200-jährigen Tradition, aber auch speziell auf 70 Jahre massiver Unterstützung durch den Staat während des kommunistischen Regimes. Katharina die Große lud den englischen Kunstreiter und Impressario Charles Hughes nach St. Petersburg, um eine Reitschule aufzubauen. Bald schon wurde der Zirkus eine Institution und brachte auch seine eigenen Familiendynastien hervor, wie zum Beispiel die Durovs, die Zapashnys, die Kios und die Kantemirovs, die ihre Geschicklichkeit und Kunststücke von einer Generation zur anderen weitergaben. Für die Gründungväter des Sowjet-Staates jedoch hatte der Zirkus noch eine weitaus größere Bedeutung und sie bewerteten ihn sogar noch höher als das Ballett und die Oper. Zirkus war populäre, egalitäre, von allen, gleich welcher Herkunft, Sprache, Alter, Bildung und Bevölkerungsschicht, geliebte Unterhaltung.

Wir  waren sehr neugierig, da schon etwas Zirkus erfahren von Shanghai und München.
Die ersten 20 Minuten wurde eine viel zu lange Affenshow gezeigt, die sowieso nicht unseren Beifall findet, zudem war es äußerst ärgerlich, dass eine vor uns sitzende Spanierin ständig mit ihrem Handy Fotos machte, die auch gleich verschickte und SMS zurückerhielt. Das helle Display hatte ich vor der Nase. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass es untersagt wäre, zu fotografieren und es mich stört. Später beugte sie sich über das Handy.
Die Akrobaten waren atemberaubend und es würde mich nicht wundern, wenn man sie mal beim Zirkus-Festival Monte Carlo sehen würde.
Verwöhnt von den Tierdressuren beim Zirkus Krone, waren die Hundevorstellung und zum Abschluss die Tigerschau, allerdings mit 9 Tieren, etwas dürftig.

Um 22 Uhr waren wir auf dem Schiff zurück und erhielten ein spätes Abendessen. Den Ausklang bildete wieder die Panoramabar, um den Tag ausklingen und all das Gesehene Revue passieren zu lassen.

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Die Wasserwege der Zaren (10)

St. Petersburg – Moskau
20.8. bis 30.8.2006

Dienstag, 29.8.2006

Strahlender Sonnenschein.
Gleich nach dem Frühstück werden wir wieder mit den Bussen abgeholt, der Kreml ist unser Ziel. Da wir wiederum schon um 9 Uhr ankommen, sind wir wieder einmal die ersten Besucher.
Das russische Wort „Kreml“ bedeutet Festung oder ummauerte Stadt. Der Moskauer Kreml ist der größte und berühmteste des Landes. Die erste Wallmauer bestand aus Lehm und Holz, nach jedem Überfall wurde die Befestigung neuer und höher wieder aufgebaut. Die heutigen roten Backsteinmauern stammen aus dem Jahre 1495, wurden aber seither mehrmals restauriert.
Als erstes betreten wir den Kathedralenplatz, der von der Mariä-Entschlafens-Kathedrale, der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale, der Erzengel-Kathedrale, der Mariä-Gewandlegungs-Kathedrale und dem Glockenturm Iwan der Große eingefasst wird.

Zuerst besichtigen wir jetzt die Erzengel-Kathedrale.  Sie ist die Grablege der Moskauer Großfürsten und Zaren, Erbaut wurde sie an der Stelle einer alten, Anfang des 14. Jahrhundert errichteten Kirche, die dem Erzengel Michail, dem himmlischen Schützer der Moskauer Großfürsten in ihren Schlachten geweiht war. Die Erzengel-Kathedrale wurde 1505-1508 von dem venezianischen Architekten Alovisio Novo, erbaut und den  besten Meistern aus Moskau, Jaroslavl und Kostroma ausgemalt. 46 Zaren sind hier bestattet, darunter Iwan der Große und  Michail, der erste Romanow.

Vorbei am Facettenpalast gegen wir zur Mariä-Entschlafens-Kathedrale (1475-1479)
Wundervolle Malereien, wie sie uns ja in Jaroslavl schon so begeisterten, sehen wir hier noch in besserem Zustand erhalten. Herrliche Ikonenwände, die im 17. Jahrhundert angefertigt wurden.

Wunderschön zeichnen sich  die Kuppeln der Oberen Erlöser-Kathedrale, die 1679-1681 erbaut wurde, gegen den Himmel ab. Filigran glänzen die Kreuze über den goldenen Kuppeln.

Wir schlendern unter Obhut von Nathalie in dem weitläufigen Gelände und der Parkanlage vorbei am Patriarchen Palast , daneben steht die große Kanone aus der niemals eine Kugel abgefeuert wurde, da sie viel zu schwer wäre, kurz davor steht die riesige Glocke, die niemals geläutet hat, da sie schon beim Gießen kaputt ging, weiter sehen wir den Großen Kreml Palast und  das Prunkgebäude, in dem Putin residiert.
So „zwischendurch“ gelang es uns dann auch in zwei Sonder-Ausstellungen „Schätze der Zaren“ Hineinzuschauen.
Nathalie machte noch den Vorschlag um 12 Uhr die Wachablösung beim Grab des Unbekannten Soldaten miterleben um uns dann um ½ 1 Uhr wieder am dann vorfahrenden Bus zu treffen.

Mittagessen auf dem Schiff und der Rest des Tages ist frei. Manfred und ich gehen durch einen riesigen Park zur Metrostation, die aber tatsächlich nur für die Moskauer gedacht ist. Ein kleiner Markt mit landestypischen Erzeugnissen und ein Einkaufszentrum, mini, nur für Ein-heimische. Manfred amüsiert in einem Kiosk die Bierauswahl, so gar Rauchbier aus Bayern.

Vorbei an Bronze-Skulpturen von Cervantes, einem indischen Dichter und schönen Damen bei der Ernte, schlendern wir durch das Hafengebäude zurück zum Schiff.

Kofferpacken ist angesagt. Dann Abendessen und um 22 Uhr starten wir zur Stadtrundfahrt: „Moskau bei Nacht“. Wir hatten uns für diesen fakultativen Ausflug für 25 Euro angemeldet, da jedoch Uglitsch ausfiel, hatte die Viking River Cruises allen Gästen diesen Ausflug kostenlos angeboten.

Schön war es. Immer wieder Fotostopps. Panorama des Kreml und Roten Platzes, das große Denkmal an der Moskwa zu Ehren Peters des Großen, ursprünglich sollte es wohl für Kolumbus erbaut werden, dann wurde es umgewandlet, noch mal das Jungfrauen-Kloster und noch mal hoch zu den Sperlings-bergen. Ein kalter Wind herrschte hier und Manfred sprang fotografierenderweise im kurzärmligen Hemd rum.
Hier oben vor der Lomonosov-Universität konnten wir das Moskauer Nachtleben im wahrsten Sinne des Wortes erleben. Unzählige Motorräder standen herum, einige machten auf dem breiten Bürgersteig eine Slalomfahren, einer  heizte mit seinem Sportwagen um den Bus und die Autos herum. Abenteuerlich.
Was wir alles sahen, unter anderem eine Wasserfontänenalle in rot, kann man alles nicht beschreiben. Es war schön und es hat sich gelohnt und für stille Stunden haben wir viel zum „Revuepassierenlassen.“

Mit dem Ehepaar vom Nachbartisch genehmigten wir uns in der Skybar noch einen Absacker, diesmal ein Bier und um 2 Uhr war dann wirklich Bettzeit.

… und zum Schluss noch

Mittwoch, 30.8.2006

Normale Zeit zum Frühstücken und  um 8.30 wurden wir wieder mit einem kleinen Bus mit den 4 anderen Personen, die auch mit uns angekommen waren, zum Moskauer Flughafen gebracht. Julia geleitete uns noch bis zum Check-In. Kofferservice klappte auch und dann hatten wir nur noch auf unseren Abflug zu warten, der sich allerdings mehr als 1 Stunde verzögerte, so dass wir erst nach 12 Uhr abflogen. Der Flug war kurzweilig und in Frankfurt klappte es so prima, Gepäck vom Band, im Eilschritt zum Bahnhof, Rolltreppe runter, der ICE fuhr um 14.15 ein und um 15.30 Uhr waren wir – mittels Taxi von Siegburg – wieder zu Hause.

Fazit: Eine schöne, eine interessante Reise mit vielen, vielen neuen Eindrücken, nicht nur optisch. Ich denke, wir werden noch lange daran denken und alles erst mal mental verarbeiten müssen.

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Madeira 23. 10. 2005

23.10. – 30.10.2005

Madeira, die Blumeninsel im Atlantik wurde im Jahr 1419 von Joao Concalves Zarco und Tristao Vaz Teixeira entdeckt. Diesen Beiden wurde die Insel jeweils zur Hälfte als Lehen zugeteilt, sie verteilten das Land an Freunde und Verwandte, die mit Hilfe afrikanischer Sklaven, auch von den Kanaren, mit dem Zuckerrohranbau begannen.
Jedoch Ruhm erlangte Madeira erst im 18. Jahrhundert, als sich englische Weinhändler auf Madeira niedergelassen hatten und Pflanzen aus aller Welt in ihre Gärten holten. Begünstigt wurde dies durch das fast schon sprichwörtliche, ganzjährige milde frühlingshafte Klima.
Der Archipel Madeira setzt sich aus fünf Inseln zusammen: Madeira selbst, die Hauptinsel, ist zugleich mit Abstand die größte (741 qkm – im Vergleich Teneriffa: 2034 qkm), Porto Santo, die zweitgrößte Insel des Archipels, erreicht nur eine Fläche von 45 qkm und die Desertas, Madeira im Südosten vorgelagert, sind zusammen gerade 1,4 qkm groß. Diese drei wasserlosen Inseln sind unbewohnt. Die knapp 300 000 Bewohner des Archipels leben fast ausschließlich auf der Hauptinsel.
Madeira  zählt geographisch zu Afrika, politisch aber zu Europa. Die Breitenlage Madeiras (33° Nord) entspricht ungefähr der marokkanischen Stadt Casablanca.


Mein Wunsch, die Insel zu besuchen, ist schon sehr alt und basiert einfach nur darauf, dass der  Pflanzenreichtum grandios sein soll.
Bereits 1997 kaufte ich einen Reiseführer. Aber wie heißt es: „Gut Ding will Weile haben“.
Da es Manfred im September nicht so gut ging, flogen wir bereits am 21.9.2005 nach Teneriffa mit dem Hintergedanken, dann, wenn es Manfred besser geht, von hier aus eine Kurzreise zu unternehmen.

Am 23.10.2005 war es so weit!
Herr Pagel von der Autovermietung Pagel holt uns in der Calle La Flora 110 um 6:30 Uhr ab und bringt uns mit unserem gemieteten Auto zum Flughafen Teneriffa-Nord. Erst müssen wir unseren Beleg, beim Reisebüro Kudlich gebucht, bei einer Mitarbeiterin der Gesellschaft Soltour umtauschen, dann starten wir um 9 Uhr nach Gran Canaria mit der Binter Canarias NT 108. Nur eine halbe Stunde dauert der Flug, dann durch den sonntäglich leeren Flughafen von Gran Canaria zum Weiterflug um 10.30 nach Madeira. 11.50 landen wir planmäßig und nach kurzem Warten werden wir zum gebuchten Hotel Madeira Panoramico in Funchal gebracht. Um 13 Uhr sind wir  im Hotel und beziehen das  schönes Zimmer Nr. 230 mit grandiosem Blick auf Funchal, den Hafen und die vorgelagerte Insel Porto Santo sowie auf den Monte.

Bereits um 13.30 Uhr spazieren wir bergab im Sonnenschein nach Funchal – der wilde Fenchel, portugiesisch „Funcho“ gab der Stadt ihren Namen – essen in Harrys Bar oder auch Vintho Verde tituliert,  Salat mit Ölsardinen, bzw. Manfred ißt Käseomelett. Weiter spazieren wir am Casino vorbei in die Innenstadt. Das Casino bildet zusammen mit dem angrenzenden Casino Park Hotel ein recht eigenwilliges Ensemble aus Beton. Der berühmte brasilianische Architkt Oscar Niemeyer schuf das Casino in Form einer Dornenkrone. War der Baustil anfangs auch sehr umstritten, gehört das Casino doch heute unverwechselbar zur Silhouette von Funchal. Unser Weg führt uns bergab durch den Park de Santa Catarina und wir machen einen Abstecher zur Capela de Santa Catarina. Schon die Frau des Inselentdeckers Zarco ließ hier kurz nach der Besiedlung Madeiras eine erste Kapelle errichten. Gleich daneben scheint Christoph Kolumbus in Bronze gegossen die Aussicht über den Hafen zu genießen. Kolumbus lebte vor seinen berühmten Entdeckungsreisen eine Zeitlang als Zuckerhändler auf Madeira. Unser Spaziergang führt uns  am Brunnen Praca do Infante vorbei. Das Wasser des Springbrunnens plätschert um eine Weltkugel. Der namengebende Infante, also ein portugiesischer Prinz, thront am Rande des Platzes als Bronzestatue. Prinz Heinrich der Seefahrer trägt die Tracht der arabischen Gelehrten. Er selbst ist ja nur einmal in seinem Leben zur See gefahren, doch förderte er die portugiesischen Endeckungsfahrten, deren erstes Ergebnis 1419 die Inbesitznahme Madeiras war. Palisanderbäume, habe ich noch nie bewusst  gesehen, bilden hier eine prachtvolle Allee. Wir schlendern an den Marinas vorbei, sehen auch das im Reiseführer genannte ehemalige Boot der Beatles, drehen die Runde bis zur Kathetrale Sé. Sie ist eines der wenigen Bauwerke im manuelischen Stil, die in Funchal erhalten blieben.
Über den Manuelismus habe ich gelesen, dass ab 1495, dem Jahr der Thronbesteigung König Manuels I. in Portugal eine neue Stilrichtung der Gotik aufkam. Phantasievolle bis verspielte Dekorationen in Stein zeichnen den manuelischen Stil aus.
1514 wurde der Bau der Kathetrale Sé, den König Manuel I. 21 Jahre vorher in Auftrag gegeben hat, fertiggestellt.
Wir  trinken im berühmten Grand Café in schönen Korbsesseln draußen Kaffee, blicken auf das Denkmal von Zarco, einem der Entdecker Madeiras und bummeln dann Richtung Hotel zurück, nicht ohne vorher der Bronzestatue Kaiserin Sissis, die hier auf Madeira zweimal versucht hat, ihr Lungenleiden auszukurieren, einen Besuch abzustatten. Verehrer haben Rosen niedergelegt.
Das letzte Steilstück meistern wir im Taxi.
Ich hatte  im Hotel gebeten, die Türkische Sauna anzumachen und von 17.30 bis 19 Uhr lasse ich es mir dort alleine gut gehen.
Für 19.30 haben wir im Hotel im ganz edlen Restaurant einen Tisch bestellt und ich esse den für Madeira typischen schwarzen Degenfisch mit Maracuja-Sauce und Manfred Steak mit Bananen „Madeira-Art“.
Zum schwarzen Degenfisch lässt sich sagen, dass er außer auf Madeira fast nirgendwo auf der Welt gefangen wird. Man sagt dem Degenfisch nach, er lebe in fast 2000 m Wassertiefe, doch kommt er des Nachts auf immerhin 600 m herauf und am nächsten Morgen können die Fischer mit viel Glück über hundert dieser Tiere mit besonderen Angeln heraufholen. Eine mühselige Sache, denn das Einholen der Angelleine wird oft noch von Hand verrichtet und kann mehrere Stunden dauern.

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Madeira 24. 10. 2005

Um 9.40 Uhr fahren wir mit dem Hotelbus – der alle 20 Minuten verkehrt – in die Innenstadt.
Haltestelle ist vor der Festung São Lourenço.
Die Kuriosität dieser Festung ist, dass sie zwar als solche erbaut wurde, jedoch nie ihren Zweck erfüllte. Als am 3. Oktober 1566 Piraten Madeira überfielen und sich an die 250 Bewohner in diese Festung zurückgezogen hatten, gab es zwar viele Kanonen aber weder Kugeln noch Pulver. So nahmen die Piraten die Festung im Sturm und töteten alle, die sich darin befanden.
Unser erstes Ziel ist der berühmte Markt „Mercado dos Lavradores“. Links und rechts des Eingangs sind große weiß-blaue Azalejos angebracht, die zum Beispiel Leda mit dem Schwan darstellen. Als erstes begrüßen uns die farbenfrohen Blumenstände mit Strelizien, Flamingoblumen und Callas, welche die in typischer farbenfroher Pracht gekleideten Verkäuferinnen darbieten. Hier erstehe ich 6 weiße Agapanthus-Zwiebel. Eine Fülle von Gemüse und Obst wird angeboten, auch etliche Früchte, die wir noch nie vorher sahen. Zum Beispiel eine Frucht, die wie ein grüner Tannenzapfen aussieht (Ananasbanane), wir probieren sie, sie schmeckt wie eine  glitschige Banane. Im ersten Stock werden mehr kunsthandwerkliche Dinge angeboten. Für Finnian erstehen wir einen kleinen Holzzug mit Finnians Buchstaben. und eine für uns bisher unbekannte Frucht: Bananen-Maracuja.
In der Fischhalle wird überwiegend der schwarze Degenfisch angeboten. Nicht unbedingt schön anzusehen.
Um 11.30 müssen wir mit dem Hotelbus zurück, da die Dame von Soltour unseren Rückflug bestätigen muss und wir uns anhören wollen, welche Ausflüge von der Gesellschaft angeboten werden.
Wir buchen für den nächsten Tag eine große Tour nach Porto Moniz.
Da das schnell abgewickelt ist und wir Glück haben, erwischen um 12.30 Uhr den direkt vor dem Hotel haltenden Stadtbus.

Unser Ziel ist der Monte. Mit 19 Euro sind wir dabei und lassen uns in einer Gondel sanft hinauftragen. Herrlicher Blick auf Funchal und auf die Quintas mit prächtigen Gärten, die sich im vorigen Jahrhundert die wohlhabenden Bürger einrichten ließen.
Dort oben besichtigen wir die Wallfahrtskirche Nossa Senhora do Monte, die im 18. Jahrhundert erbaut wurde.
„Im 16. Jahrhundert – so erzählt man sich – soll oberhalb von Monte, in Terreiro da Luta, ein Hirtenmädchen eine Marienerscheinung gehabt haben. Sie lief nach Hause, um ihren Eltern davon zu erzählen, doch diese wollten ihr nicht glauben. Als sich das Ereignis aber mehrfach wiederholte, ging der Vater heimlich hinterher, um zu schauen, ob die Geschichte wahr sei. Zwar konnte er selbst die Erscheinung nicht sehen, doch fand er eine Statue der Madonna, der zu Ehren damals eine erste Kapelle an der Stelle des heutigen Gotteshauses errichtet wurde. Die Jungfrau von Monte erfährt seither höchste Verehrung, sie thront winzig klein in einem silbernen Schrein auf dem Hauptaltar.
In einer Seitenkapelle wurde der letzte Kaiser von Österreich, Karl von Habsburg, beigesetzt, der während seines Exils mehrere Monate in einer Villa in Monte wohnte, wo er 1922 an den Folgen einer Lungenentzündung verstarb.“
Eine Weile beobachten wir unterhalb der Kirche die Abfahrt der Korbschlitten, jedoch wir wollen zuerst noch den im Reiseführer als lohnenswert bezeichneten Tropischen Garten „Jardins do Monte“ besichtigen.

Der Eintrittspreis von 20 Euro für uns zwei ist zwar heftig, aber er hat sich gelohnt.
Einst war dies der Park des ehrwürdigen Hotels „Monte Palace“, das in der ersten Hälfte des 20. Jhs. zu den besten Häusern von Funchal zählte. Einer Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg war kein Erfolg beschieden. Die Anlage wurde Ende der 80er Jahre von José Berardo, einem Madeirenser, der in Südafrika ein Vermögen verdient hatte, gekauft, renoviert, restauriert, alter Baumbestand wurde erhalten und durch zahlreiche weitere botanische Kostbarkeiten ergänzt. Nahezu vollständig dürfte der Bestand an verschiedenen Arten von Palmfarnen (Cycas) sein, die José Berardo aus Südafrika einführen ließ und von denen wir einige von unserem Besuch im Botanischen Garten in Südafrika wiedererkennen.
Wir besichtigen eine aktuelle Austellung von Skulpturen afrikanischer Künstler, bestaunen eine phantastische Steinsammlung „Mutters Natur-Geheimnis“ und amüsieren uns über die zum Teil skurrilen Skulpturen im Park. Mit einem Kaffee und einer Kostprobe des Madeira-Weins im eingegliederten Restaurant stärken wir uns für das nächste Abenteuer:

Die Korbschlittenfahrt!
1849 wurden die Schlitten eingeführt, nachdem sich Pferdewagen auf dem steilen Weg nach Monte als zu unpraktisch erwiesen hatten. Hinauf ging es nun gemächlich zu Pferd oder per Sänfte, hinab rasant per Schlitten. Die auf der Welt wohl einmaligen Fahrzeuge genossen bald einen solchen Ruf, dass sie von Anfang an eine Touristenattraktion waren. Nur in Russland, im Ural, soll es ähnliche geben, doch mit Rädern anstatt mit Kufen versehen. Zwei Männer, bekleidet mit weißen Hosen und Hemden und dem als „Kreissäge“ bekannten Strohhut, lenken das Gefährt, ziehen oder bremsen je nach Bedarf. Ca 2 km geht es zum Teil äußerst steil bergab und wenn es gar so gefährlich aussieht, schreie ich auch heftig. 25 Euro Fahrtkosten und 5 Euro Trinkgeld für die rasanten Lenker ist uns das Abenteuer wert.
Von der Ausstiegsstelle gehen wir 20 Minuten durch kleine, steile Gässchen bergab, um dann um 16.30 mit dem Bus wieder zum Hotel zurückzufahren. Ich  lassse mir von einer Mitfahrerin erklären, wo der nächste Supermarkt ist und nach weiteren 15 Minuten steil bergauf finde ich den Supermarkt und deckte uns mit Sprudel, Wein und diversen Dingen zum Tapas-Essen ein, denn nach diesem erlebnisreichen Tag haben wir keine Lust mehr groß Essen zu gehen. So lassen wir den Tag auf unserer Terrasse ausklingen.

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Madeira 25. 10. 2005

Große Tagestour ist angesagt:
Porto Moniz. Die Strecke: Pico da Torre –  Câmara de Lobos – Cabo Girão – Encumeada – S. Vicente – Laurisilvia –  Porto Moniz – Paúl da Serra


Um 8.45 Uhr werden wir vom Hotel abgeholt. Wir sind schon mal sehr zufrieden, daß es nur ein kleiner Bus war. Ein spanisches Ehepaar sitzt bereits im Bus und ein weiteres holen wir noch ab. Wie sich herausstellt, sind beide Ehepaare aus Gran Canaria und unser Busfahrer Nono spricht sowohl spanisch als auch deutsch. Was für mich ideal ist, denn so kann ich immer nachvollziehen, ob ich das Spanische richtig verstanden habe, wenn er es für Manfred dann noch mal in deutsch wiederholt.  Weiter ist für mich traumhaft, dass ich vorne neben dem Busfahrer sitzen kann und somit keine Probleme mit der Strecke habe.
Der erste Stopp ist in Cabo Girão. 580 m Höhe besagt das Schild am Aussichtspunkt. Und man schaut dort senkrecht hinunter auf den schmalen Küstensaum mit dem dunklen kiesigen Strand. Einige winzige Terassenfelder kleben förmlich an der Steilwand, kaum vorstellbar, wie sie bearbeitet werden. Wir haben riesiges Glück mit dem Wetter, die Sonne scheint und es ist warm.
Den zweiten Stopp legen wir den Ribeiro Bravo ein. Manfred und ich machen einen kleinen Rundgang durch den blitzsauberen Ort über eine mit altem Kopfsteinpflaster ausgelegte Hauptstraße und eine hübsche kleine Parkanlage, in der sich ein rosa getünchtes Herrenhaus von 1776 verbirgt, das heutige Rathaus von Ribeiro Bravo. Der Ort wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, da ich ganz bequeme, braune Schuhe für sage und schreibe 48 Euro erstehe.
Der Bus schraubt sich bis zum Encumeada Paß auf 1007 m Höhe hinauf. Hier oben haben wir die Sicht auf die Nord- und Südküste, da uns das Wetter hold ist. Was mich auf der ganzen Fahrt begeistert und Manfred allmählich nervt, sind die links und rechts der Straße wachsenden Agapanthus in weiß und blau. Leider sind wir für die Hauptblüte etwas zu spät, so dass wir nur noch einige Nachzügler-Blüten bewundern können. Aber ich kann mir vorstellen, wie herrlich das während der Hauptblüte zwischen Juli und September aussehen muß. Ich sage, wie bei uns der Löwenzahn blüht, so blühen hier der Agapanthus und die Hortensien in unwahrscheinlicher Größe.
Nun schrauben wir uns wieder hinunter nach  São Vicente, einem der schönsten Orte Madeiras, leider wird kein Stopp eingelegt. Aber dafür entschädigt der Busfahrer uns mit der Fahrt direkt an der Küste entlang auf der halsbrecherischen alten Strecke. Ein kurzer Photo-Halt und Souvenirkauf (ich: Topflappen in Fischform) und die letzte Etappe nach Porto Moniz wird in Angriff genommen.

Um 12 Uhr nehmen wir dort unser Mittagessen ein und anschließend bummeln Manfred und ich zu den Lavafelsbecken, für die Porto Moniz bekannt ist. Traumpools mit glasklarem Wasser werden von etlichen Touristen zum Baden genutzt. Um 14 Uhr ist die Weiterfahrt über die Hochebene  angesagt.

Da immer noch schönes Wetter ist, genießen wir den Blick auf die 3 höchsten Gipfel Madeiras, den Pico Ruivo, den höchsten mit 1862 m, den Pico Arieiro mit 1818 m und den Pico Ruvio do Paúl mit 1640 m. Auf der wunderbaren Panoramastraße fahren wir über die Hochebene Paúl da Serra, was wörtlich übersetzt „Gebirgssumpf“ heißt. Links und rechts regelrechte Felder braunen Adlerfarns  und wir registrieren die unzähligen geparkten Autos der Wanderer, die auf den berühmten Wasserrinnen, den Levadas, wandern.
Von hier ist der bekannte Wasserfall de Risco erreichbar.
Die Levadas – schmale Wasserkanäle, in denen das kostbare Naß aus Quellen oft über viele Kilometer hinweg zwecks Bewässrung der Felder transportiert wird – verbindet man automatisch mit Madeira. Zwar sind ähnliche Bewässerungssysteme schon seit der Römerzeit in vielen Mittelmeerländern bekannt, auch auf Teneriffa, jedoch nirgendwo hat man sie zu solcher Perfektion gebracht. 5000 Kilometer soll das Netz der Bewässerungsrinnen lang sein. Die ersten Levadas auf Madeira wurden vielleicht von Maurensklaven angelegt. Schon die Zuckerrohrplantagen im 15. Jahrhundert verfügten über Bewässerungsanlagen. Da diese Kanäle abgedeckt sind, eignen sie sich heute phantastisch als Wanderwege.
Bei der Pusada dos Vinháticos legen wir noch einmal einen Stopp ein. Manfred und ich steigen ein Stück aufwärts durch Farn und Agapanthus. Wunderschön!
Da wir gut in der  Zeit sind und wir dem Busfahrer wohl sympathisch sind, legt er eine Sonderfahrt über die Estreito de Câmara de Lobos ein. Die Weinfelder sind typisch für diese Gegend. Die Reben werden auf Gestellen hochgezogen. Wohin der Blick auch geht: Wein!
Nach diesem Abstecher geht es von Câmara de Lobo auf der Autobahn retour und um 16.15 Uhr sind wir wohlbehalten im Hotel.
Kosten 84 Euro und 10 Euro Trinkgeld für Nono, die er sich wirklich verdient hat.
Wir sind mit dem Tag voll zufrieden.

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Madeira 26. 10. 2005

Frühstücksbüffet und um 10 Uhr mit dem Hotelbus in die Stadt Funchal. Wir spazieren am Hafen entlang bis Fortaleza de São Tiago. Das Fort aus dem 17. Jahrhundert gilt als eines der architektonisch  eindruckvollsten in Portugal. Mit seinen rundüberkuppelten Türmchen und dem ockerfarbenen Putz wirkt es eher freundlich als abschreckend. Durch die Altstadt gehen wir zurück und suchen die von Nono empfohlenen Restaurants, finden sie auch.
Um 11.15 fahren wir mit dem Bus 153 auf einer abenteuerlichen Strecke durch die Berge, an jedem Laternenpfahl hält er und wir bekommen viel von der arbeitenden, von oder zur Schule gehenden Bevölkerung mit. Nicht uninteressant. Versehentlich landen wir in Baia d’Abra, da wir den richtigen Haltepunkt in Caniçal verpasst haben.
Baia d’Abra liegt an der Ostspitze Madeiras. Hier ist die Welt zu Ende. Man kann noch auf einem schmalen Pfad bis zur Spitze der Halbinsel weiterlaufen. Da jedoch ein starker, kalter Wind um den Bus fegt und die zurückkehrenden Wanderer sich gegen den Wind lehnen müssen, verzichten wir darauf,  überhaupt auszusteigen und fahren 10 Minuten später mit demselben Bus zurück nach Caniçal.
In Caniçal lockt uns das Walmuseum. Anschaulich wird in einer Fotodokumentation dargestellt wie die Männer in ihren winzigen Booten den Giganten des Meeres nachruderten, um sie mit Lanze und Harpune zu erledigen. Seit 1982 ist jedoch der Walfang auf Madeira verboten. Das Prunkstück der Sammlung ist das naturgeteue Modell eines riesigen Pottwals. Die Gegenüberstellung dieser Nachbildung mit einem geradezu filigran wirkenden hölzernen Fangboot  macht uns die Gefahren des Walfangs deutlich. Ein Film – auch in deutscher Sprache -führt uns  die Greuel des Walfgangs von früher, aber auch die Probleme mit dem Naturschutz von heute ungeschminkt vor Augen.
Ein Rundgang durch den kleinen Ort mit einer noch heute recht großen Fangflotte, die aus kleineren offenen Booten wie auch aus hochseetauglichen Thunfischkuttern besteht, beenden unseren Aufenthalt in diesem  Ort. Bei einer Tasse Milchkaffee warten wir auf den 14 Uhr Bus, der uns zu unserem nächsten Ziel: Machico bringen soll.
Machico, die vergessene Hauptstadt, ist mit ihren 20 000 Einwohnern die zweitgrößte Gemeinde Madeiras. Es war nach Inbesitznahme der Insel durch die Portugiesen zunächst die gleichberechtigte Hauptstadt neben Funchal, von hier aus wurde bis 1497 die östliche Inselhälfte regiert. Heute steht sie an Bedeutung weit hinter Funchal zurück und erfüllt eher die Funktion eines Provinzstädtchens.
Sturm erwartet uns. Trotzdem kämpfen wir uns bis zum aufgepeitschen Meer, kehren durch den Ort, am Rathaus vorbei, zurück zur Bushaltestelle. Vor dem plötzlich einsetzenden Regen flüchten wir uns die Kirche Igreja Nossa Senhora da Conceição. Die Kirche ist der Jungfrau der Unbefleckten Empfängnis geweiht. Das Seitenportal mit seinen drei Marmorsäulen ist eine Stiftung König Manuels I., das Hauptportal trägt sehr schöne manuelinische Verzierungen.
Trotz des Regens werfen wir noch einen Blick auf die Statue auf dem Kirchplatz. Es ist Tristão Vaz Teixeira. Er war ein Mitsteiter des Inselentdeckers Zarco und ging mit ihm zusammen im Jahre 1419 in der Bucht von Macchico an Land. Nach der Aufteilung Madeiras in zwei Herrschaftsbereiche erhielt Vaz Teixeira die östliche Inselhälfte mit der Hauptstadt Machico: Hier regierten später auch noch sein Sohn und sein Enkel, erst Ende des 15. Jahrhunderts wurde Funchal zur alleinigen Hauptstadt erklärt.
Um 15 Uhr sind wir am Busbahnhof, frieren und der ursprünglich um 15.15 Uhr gehende Bus Nr. 20 verkehrt aber erst um 15.30, führt jedoch auf nicht so abenteuerlicher Fahrt über den Flughafen und Santa Cruz  nach Funchal zurück.
Um 16 Uhr tätigen wir noch einen Einkauf in der Markthalle und in einem Supermarkt und um 17 Uhr fahren wir mit dem Hotelbus zurück. Tapas auf der Terrasse essen, Karten schreiben und ein abwechslungsreichen Tag ist beendet.

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Madeira 27. 10. 2005

Es regnet! Alles grau in grau!
Santana steht heute für mich auf dem Plan. Manfred beschließt, dass er bei diesem Wetter nicht in den Bus steigt und quer über die Insel fährt. Für mich steht fest, bei nur einer Woche auf der Insel will ich mir einen Aus-Tag nicht erlauben und ich werde dann alleine fahren.

Nach dem Frühstück hat Manfred umdisponiert und wir fahren um 9.20 Uhr mit dem Hotelbus nach Funchal, gehen zur Santana Linie neben der Seilbahn und bekommen um 10 Uhr  den Bus Nr. 56 und fahren für 3.10 Euro pro Kopf bis Santana. Hoch über den Monte, den Poiso-Paß auf 1413 m über Ribeiro Frio ,Achada do Cedro Gordo, Faial nach Santana.
Santana lockte uns mit seinen farbenfrohen Abbildungen der strohgedeckten Häuschen. Nach einigem Suchen finden wir dann tatsächlich einige der angeblich über 100 die es hier noch geben soll.
Neben dem Rathaus hat das Fremdenverkehrsamt einige strohgedeckten Häuschen renoviert. Hier hat man auch einige Kunsthandwerker angesiedelt.  Neben einem Hotel kann man ein ursprünglich eingerichtetes Häuschen besichtigen.
Die Werbung für einen Themenpark macht neugierig. Als ich ihn endlich finde, empfinde ich den Eintritt von 10 Euro zu teuer um einigen Kunsthandwerkern, wie Webern oder Korbflechtern zuzusehen. Darum beschließen wir, nachdem Manfred unter anderem Fotos von Hortensien mit fast fußballgroßen Blüten in einer kleinen Parkanlage gemacht hat, weiter nach Puerto da Cruz zu fahren.
Um 13 Uhr geht es weiter nachdem uns der Busfahrer radebrechend – mit englisch oder spanisch geht fast nichts – klar macht, dass er uns an einer Kehre oberhalb von Puerto da Cruz absetzen wird. Er klärt uns auch, wir bräuchten nur bergab zu gehen. Gemacht, getan.
Mutterseelenalleine machen wir uns auf den Abstieg. Erst auf asphaltierter Straße, dann geht diese in Schotterweg über, dann wird es Matsch und dann stehen wir vor dem Nichts, bzw. einem großen Bagger. Kein Weg mehr, kein Durchkommen. Einer der Arbeiter ist dann so freundlich, geht ein Stück mit uns zurück und zeigt uns einen steilen Aufstiegspfad. Oben angekommen, sind wir auf einem asphaltierten Weg ,der gemächlich in den Ort führt.
Eine der wenigen verbliebenen Zuckermühlen Madeiras soll es hier noch geben, dies gab mit den Ausschlag, diesen Ort zu besichtigten. Große Enttäuschung: Wohl nur nach der Ernte des Zuckerrohrs von März bis Mai ist sie in Betrieb und man kann zusehen, wie aus dem süßen Gras ein heller, hochprozentiger Schnaps destilliert wird. Den Rest des Jahres stehen die Anlagen still und wir können nur auf eine staubige, rostige Anlage sehen.
Am kleinen Strandbad nehmen wir Kaffee bzw. Bier zu uns und sind nervös, ob überhaupt von hier heute noch ein Bus nach Funchal zurückgeht. Den Aufstieg wollen wir nicht wieder machen.
Ein Rundgang durch den Ort auf der Suche nach einer Bushaltestelle wird auch belohnt und ich stelle fest, dass um 16.10 Uhr mit der Linie 156 ein Expressbus nach Funchal geht.
Nun können wir gelassen einen Bummel auf der Promenade, dicht am Meer vorbei, zum Teil durch Schlamm bis zu netten Restaurants machen. Haben noch genügend Zeit, um einen Imbiß zu uns zu nehmen und dann gelassen zur Haltestelle zu gehen. Kaum angekommen, kommt um 15.40 Uhr die Linie 53 nach Machico. Wir steigen sofort ein,  nach dem Motto: sicher ist sicher. Ankunft dort um 16.20 Uhr.
Wir werden gebeten umzusteigen und um 16.30 Uhr geht es mit einem Expreß zurück nach Funchal. 17.05 Ankunft, 17.10 Weiterfahrt mit dem Hotelbus. Das nennt man Timing.
An der Hotelreception erfahren wir, dass es in Funchal den ganzen Tag geregnet hat und wir hatten den ganzen Tag Sonnenschein. Somit wurde Manfreds Sinneswandel belohnt!
Schwimmen, Schuhreinigung, Lesen, Wein, Oliven, Trauben, Ruhepause.

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Madeira 28. 10. 2005

Curral das Freiras ist unser heutiges Tagesziel.
Inzwischen sind wir ja schon ganz erfahrene Nutzer der öffentlichen Linienbusse.
Übrigens, das erste Mal, dass wir keinen Leihwagen in einem Urlaub haben. Na, bitte.
Die Linie 81 bringt uns um 10 Uhr zum Haltepunkt Eira do Serrado. Großer Touristenandrang. Auf einem kurzen Pfad gelangen wir zu einem Miradouro. Einem Adlernest gleich ist dieser Aussichtspunkt. Einen schönen schaurigen Blick in die Tiefe teilen wir uns mit etlichen anderen Besuchern. Auf dem Rückweg erstehe ich – nach einem Deal mit Manfred, dass ich dann nicht mehr das Wort „Agapanthus“ ausspreche – ein T-Shirt mit dem Foto einer schönen blauen Agapanthusblüte. Danach  machen wir uns um 11.15 Uhr auf den abenteuerlichen, steilen Abstieg nach Curral das Freiras. Wir gehen unter Unmengen Esskastanienbäumen durch, waten regelrecht durch heruntergefallene Esskastanien, hören Glockengeläut, ganz romantisch und — versteigen uns. Hangeln uns von einer kleinen bewirtschafteten Terrasse zur nächsten, an Ziegenställen vorbei, um dann endlich wieder auf dem richtigen Weg zu landen. Nun fängt es zu allem Übel auch noch leicht zu regnen an. Um 12.50 sind wir dann in dem kleinen Örtchen, das wörtlich übersetzt: “ Stall der Nonnen“ heißt.
Diesen seltsamen Namen verdankt der Ort der Tatsache, dass sich das ganze Tal einst im Besitz des Klosters Santa Clara in Funchal befand. Als französische Piraten 1566 Funchal überfielen, plünderten und brandschatzen, brachten sich die Nonnen des Klosters heimlich nach Curral das Freiras in Sicherheit. In dem abgelegenen, nur über halsbrecherische Bergpfade zu erreichende Tal hielten sie sich versteckt, bis die Freibeuter nach zwei Wochen wieder in See stachen.
Ein kurzer Rundgang, Kirchenbesichtigung und dann Einkehr. Natürlich: Kastaniensuppe, Kastaniensalat. Am Nebentisch sitzt ein Herr, der uns einen 8 Jahre alten Madeirawein ausgibt, da ihm dieser so gut mundet. Dann probieren wir gemeinsam noch Kastanienlikör. Muß nicht sein. Wie sich herausstellt,  kommt der Herr aus Berlin und verbringt jedes Jahr einige Zeit in Porto da Cruz, der Ort, der uns in Aufregung versetzte. Er bietet uns an, mit seinem Pkw statt mit dem Bus nach Funchal zu fahren. Wir nehmen dankend an.

In Funchal gehen Manfred und er noch ein Bier trinken und ich nutze dies aus um in den Nachbarort zu fahren, der für seine Korbflechtarbeiten berühmt ist. Da muß ich hin – ich mit  meinem Korbtick.
Um 15.10 Uhr bekomme ich die Linie 29 und fahre für 1.35 Euro nach Camacha. Alles grau in grau, Regen. Schräg gegenüber der Bushaltestelle befindet sich das Café Relógio, dessen Uhrturm gleich neben dem Miradouro wohl dem Big Ben in London nachempfunden ist, denn die ersten Besitzer des Hauses waren reiche Engländer, die im 19. Jahrhundert hier einen Sommersitz hatten. Das Gebäude ist heute Sitz der größten Exportfirma für Korbwaren auf Madeira, welche vor allem in Camacha gefertigt werden. Über 3 Etagen erstreckt sich dieses vielfältige Angebot. Im Untergeschoß sehe ich den Korbflechtern beim Sesselflechten zu. Ein rascher Rundgang zeigt mir eine Fülle von einfachen Körben über Hängeampeln für Blumen, Handtaschen, Zeitschriftenständer, Hüte, Tabletts, Korbmöbelgarnituren, und, und, und.
Auf die Schnelle entscheide ich mich für ein Körbchen, das ich als Nähkörbchen gebrauchen kann. Mit 7.98 Euro bin ich dabei. Da es regnet, der Ort außer als Ausgangspunkt für Wanderungen nichts zu bieten hat, schaffe ich den Bus um 16.15 Uhr retour. Rekord!
Nun habe ich noch etwas Zeit um mir das Scienic-Museum näher anzusehen, erstehe dort ein Buch über Madeira, spaziere zum Rathaus hoch, das aus der Barockzeit stammt, bestaune den wunderschönen Innenhof, in dem der Brunnen mit Leda und dem Schwan auffällt und betrachte das steinerne Stadtwappen. Das Wappen, das König Manuel I. der Stadt Ende des 18. Jahrhunderts verlieh, trägt fünf Zuckerhüte und vier Weintrauben – beides Symbole für die einstigen Säulen der Inselwirtschaft.
Der Rathausplatz ist beeindruckend. Er wird flankiert von dem Gebäude des Jesuitenkollegs und dem alten Bischofspalast, in dem heute das Museum de Arte Sacra unterbracht ist.
Über das Jesuitenkolleg habe ich nachgelesen, dass nach dem Piratenüberfall von 1566 die Jesuiten nach Madeira kamen, um zu verhindern, dass die reformatorischen Ideen der hugenottischen Korsaren in der Bevölkerng um sich griffen. Bald machten sie wohl auch recht gute Geschäfte im Weinbau Das Kolleg diente den männlichen Sprösslingen reicher Familien als Oberschule. Nach der „Nelkenrevolution“ – 1974 setzt diese der Diktatur in Portugal ein Ende – wurde 1975 die neugegründete Universität von Funchal hier untergebracht.
Die Kirche, im 17. Jahrhundert im Barockstil errichtet, trägt an der Fassade die Marmorfiguren einiger Jesuitenheiliger. Links unten ist der Ordensgründer Ignatius von Loyola zu erkennen.
Mit der Linie 45 fahre ich für 1.35 Euro um 17.30 Uhr zum Hotel zurück. Hier holt mich Manfred schon vom Lift ab. Ein paar Tapas gegessen, ausgeruht und dann gehen wir auf die Suche nach einem Lokal. Hoch, hoch, hinaufgewandert und in einem Art Mitnahmerestaurant mit Restaurantteil gelandet. Das Einzige in diesem Stadtteil, weit und breit. Haben dort ganz gut gegessen und heimwärts, bergab, ist es weniger anstrengend.

Weiter am 29.10.2005